Warnung vor Risiken für die Finanzstabilität: So stellen Sie Ihr Depot jetzt richtig auf
Von Yvonne Döbler
22.02.2023 | Handwerk-Magazin
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Altersvorsorge, Frauen im Handwerk, Geldanlage, Indexfonds, Kapitalmarkt, Konjunktur, Nachhaltigkeit, Risikomanagement, Unternehmensanleihen und Vermögensaufbau
Kein Märchen – und trotzdem eine Hollywood würdige Geschichte: Im Jahr 2007, kurz vor der Finanzkrise, gingen zwei sehr erfolgreiche Männer mit zwei sehr unterschiedlichen Investment-Ansätzen eine Wette ein.
Der Herausforderer war Ted Seides. Ein bei der New Yorker Finanzboutique Protégé Partners angestellter Investment-Berater. Er meinte, fünf gute Dach-Hedgefonds auswählen zu können, die einen einfachen, breit diversifizierten Indexfonds (ETF) im Schnitt renditemäßig schlagen werden. Sein Kontrahent, Warren Buffett, bezweifelte das. Er ist einer der erfolgreichsten Investoren der Welt und dafür bekannt, eine Buy-and-hold-Strategie anzuwenden. Das heißt: Er wählt werthaltige Aktien aus, die er langfristig hält. Hedgefonds hingegen kaufen und verkaufen ständig, um Trends frühzeitig für sich nutzen zu können. Buffet schlug eine Wette vor und wählte den Vanguard 500 Index Fund“ (US-WKN: VFINX), der den S&P-500-Aktienindex abbildet. In ihm stecken die 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA, er ist also ein typischer, diversifizierter Indexfonds.
Damit keine Sondereffekte das Ergebnis verfälschen könnten, einigten sich die zwei Männer auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Ihr Einsatz war hoch: 1 Million Dollar – die der Verlierer einer karitativen Einrichtung spenden musste.
Wer die Wette gewann
Es folgten turbulente Börsenjahre – Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Euro-Krise, Rekordverschuldung der Mitgliedsstaaten, Brexit-Drohung, Donald Trump. Die realen Kursverluste an der Börse lagen zwischenzeitlich bei 57 Prozent. Doch nach zehn Jahren waren die Hedgefonds mit 14,1 Prozent im Plus. Der ETF stand jedoch mit 21,8 Prozent Wertsteigerung wesentlich besser da – Warren Buffet hatte gewonnen.
Was Anleger aus der Wette lernen können
Und die Moral von der Geschichte? „Timing, Trends und Trades sind nicht der Schlüssel zu einem erfolgreichen Börseninvestment“, sagt Annika Peters, FrauenFinanzBeratung Barbara Rojahn & Kolleginnen AG & CO. KG. Anlegern werde oft gesagt, dass Buy-and-hold in Krisenzeiten die falsche Strategie sei. Das Argument: Aktives Fondsmanagement schütze vor großen Kursverlusten. „Die Wette hat aber belegt, dass diese Argumentation so pauschal nicht stimmt. Tatsächlich verursacht das aktive Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren hohe Kosten, die die Rendite deutlich drücken“, erklärt Peters. So lagen die Handelskosten für die Hedgefonds wohl rund 20 Mal so hoch wie die für den Indexfonds.
Zweites Learning aus der Wette: „Krisen sind kein Grund, um eine grundsätzlich ausgewogene Anlagestrategie über den Haufen zu werfen. Denn nur, wer im Markt bleibt, ist auch bei der Erholung nach zwischenzeitlichen Einbrüchen dabei“, sagt Lisa Hassenzahl, Geschäftsführerin von YPOS Finanzplanung GmbH. Oder kurz: Rendite bekommt nur, wer bereit ist Risiko zu tragen.
Übrigens: Die beiden Wettpartner hatten den Wetteinsatz von 1 Million Euro in die Investment-Holding Berkshire Hathaway von Warren Buffet zu investieren, damit der zu spendende Betrag währen der zehn Jahr anwachsen kann. Letztlich flossen 2,2 Millionen US-Dollar an die „Girls Incorporated of Omaha“, die sich um benachteiligte Mädchen in Nebraska kümmert.
Große Kursschwankungen an der Börse – das sind die Ursachen
Heute stecken wir wieder in turbulenten Zeiten, die viel Unsicherheit mit sich bringen. So verlor der Deutsche Aktienindex DAX von Mitte Februar bis Mitte März 2020 rund 44 Prozent seines Wertes – bedingt durch den Lockdown. Bis Mitte März 2021 konnte er rund 79 Prozent Wertzuwachsverzeichnen, nur um bis Ende September 2022 wieder rund 25 Prozent seines Wertes abzugeben. Derzeit erholt er sich und legte seit dem letzten Tief gute 20 Prozent an Wert zu.
„Das massive Auf und Ab der Kurse an den Börsen hat viel mit den Krisen in der Welt zu tun. Lieferketten und Absatzmärkte sind gestört und die Versorgung mit Energie ist unsicher“, skizzierte Hassenzahl die derzeitige Lage. Zudem wirke die Zinspolitik der Notenbanken FED (USA) und EZB (Europa) dämpfend auf den Aktienmarkt. Nach vielen Jahren, in denen Geld in den Markt gepumpt wurde, heben sie nun die Leitzinsen deutlich an. Ziel ist es, die Geldanlage attraktiver zu machen und das Geldleihen teurer. So wird dem Markt Liquidität entzogen, was die Inflation stoppen soll. „Geldwertstabilität ist das oberste Ziel der Währungshüter. Sie machen Anlagen in Zinspapiere attraktiver und sorgen so dafür, dass weniger Geld in Aktien investiert wird“, erklärt Hassenzahl.
Krise als Chance: Was Anleger jetzt tun sollten
„Es gibt vier Anlagestrategien, die Investoren verfolgen können – alle haben Vor- und Nachteile“, meinen Peters und Hassenzahl. Die Finanzexpertinnen erklären die Strategien und begründen, warum die vierte Strategie – Buy and Hold + Rebalancing, die beste ist.
1. Buy and Hold: Die klassische Strategie
Vorteile: hohe Renditen, wenig Risiko, wenig Aufwand, einfache Umsetzung, geringe Kosten
Nachteile: nicht für kurzfristige Anlageziele geeignet, wenn nur gering diversifiziert, dann hohes Risiko, falscher Einstiegszeitpunkt möglich, Anleger müssen viel Geduld mitbringen.
2. Buy the Dip: Der Gewinn liegt im Einkauf
Vorteile: günstige Einstiegskurse führen zu höheren Renditen
Nachteile: den optimalen Zeitpunkt zu erwischen ist schwierig bzw. unmöglich, positive Entwicklungen werden nicht (optimal) genutzt, bei lange sinkenden und seitwärtslaufenden Märkten führt diese Strategie zu Verlusten, kann zu einem „ich warte noch ab“-Teufelskreis führen, erfordert ein relativ hohes Maß an Arbeit und Zeitaufwand.
Vorsicht vor Overconfidence – das ist das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten. Im Falle der Kapitalanlagen sind es die eigenen Kompetenzen, die überschätzt werden. Die „richtigen“ Anlagen zum „richtigen“ Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen benötigt viel Analyse. „Das kann schnell dazu führen, dass man sich verzettelt, unreflektiert entscheidet und dadurch schlechtere Renditen oder sogar Verluste verursacht“, erklärt Lisa Hassenzahl.
3. Sparpläne: Schritt für Schritt an den Markt. Oder: die Angsthasen-Taktik
Vorteile: Zeitpunkt der Anlage wird aufgeteilt, Cost-Average-Effekt, sanfterer Einstieg in den Markt, Verlustrisiko geringer (bei kurzem Anlagehorizont), gut geeignet bei Entscheidungsschwierigkeiten
Nachteile: Die Wertentwicklung von Sparplänen liegt im Schnitt unter der von Einmalanlagen, Zinseszinseffekt wird nicht vollständig genutzt
Besser diese Strategie als gar nicht investieren!
4. Buy and Hold + Rebalancing: „Anleger sollten In Szenarien denken und ihre Depots entsprechend zusammenstellen“, sagt Annika Peters. Dabei sei das eigene Weltbild wichtiger als die allgemeine Marktmeinung. „Legen Sie also fest: Wie wichtig ist Ihnen der Inflationsschutz? Ihre Antwort bestimmt über den Aktienanteil im Depot. Wollen Sie ergänzend regelmäßige Erträge? Dann sollten Sie dividendenstarke Titel kaufen. Möchten Sie einen Teil ihres Depots mit Wachstumstiteln bestücken – sie haben das Potenzial, die Rendite zu heben oder auch zu drücken. Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit? Entsprechend konsistent sollte die Titelauswahl in jedem Segment erfolgen“, erklärt Peters. Buy and Hold bei den Kerninvestments
Vorteile: Die eigene Situation ist Ausgangsbasis und die individuelle Finanzplanung wird mit der Anlagestrategie verknüpft
Nachteile: Anleger müssen ihr Depot regelmäßig überprüfen, der Anlagehorizont sollte langfristig sein.
„Dies ist die erfolgreichste Anlagestrategie„, sagen beide Finanzexpertinnen unisono.
Die Expertinnen
Annika Peters
ist zertifizierte Finanzplanerin (CFP®) bei der FrauenFinanzBeratung Barbara Rojahn & Kolleginnen AG & CO. KG. Sie verfügt über vielfältige Erfahrungen in der ganzheitlichen Beratung und Vermögensanlage. Nach dem dualen BWL-Studium bei einer Stuttgarter Privatbank war sie im Private Banking und in einem Family Office tätig. Seit 2018 ist sie Geschäftsführerin und Beraterin bei der FrauenFinanzBeratung. Dabei liegt ihr die finanzielle Lebensplanung speziell von Frauen besonders am Herzen. Sie berät umfassend zu den Themen Altersvorsorge, Vermögensaufbau und Existenzrisiken. Als Expertin für nachhaltige Geldanlagen betrachtet sie auch die Auswirkungen von Vermögensanlagen auf Mensch und Umwelt.
Lisa Hassenzahl
ist Certified Financial Planner (CFP®), Finanzökonom (EBS), B.Sc. (Frankfurt School of Finance and Management), zertifizierte Finanzplanerin (DIN ISO 22222), Certified EUREX Consultant (DBG), Certified ETF Specialist (DBG) und Geschäftsführerin der YPOS Finanzplanung GmbH. Zudem ist sie Gründerin des ersten Family Offices für Frauen, Her Family Office. Bereits seit 2015 bietet sie eine Beratung, die Fragen der Kapitalanlage und der Vermögensstrukturierung mit rechtlichen sowie steuerlichen Aspekten verknüpft. Lisa Hassenzahl ist die Initiatorin von Women’s Talk Darmstadt, einer Informations- und Netzwerkplattform für Frauen und ist regelmäßiger Gast bei ntv und anderen Formaten.