Urlaubsanspruch: Betriebe müssen Mitarbeiter regelmäßig an Resturlaub erinnern
17.01.2024 | Handwerk-Magazin
Von Eva Neuthinger
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Arbeitsrecht, Urlaub und Urteil des Monats
Das Urteil war zwar so zu erwarten, doch es sorgt für große Aufmerksamkeit. Ende 2022 entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20. Dezember 2022, Aktenzeichen: 9 AZR 266/20) in diesem Fall: Eine Steuerfachangestellte war von 1996 bis 2017 bei einem Arbeitgeber tätig. Als das Arbeitsverhältnis endete, erhielt sie 14 Urlaubstage in Höhe von 3201,38 Euro brutto ausgezahlt. Das reichte ihr nicht. Sie beanspruchte auch noch aus Vorjahren einen Ausgleich für wegen hoher Arbeitsbelastung nicht genommene freie Tage.
Die erste Instanz wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht sprach ihr 17.376,64 Euro brutto für nur 76 Arbeitstage zu. Das Bundesarbeitsgericht hatte aber das letzte Wort: Der Arbeitgeber musste zahlen – und zwar deshalb, weil er die Mitarbeiterin über einen Verfall ihres Urlaubsanspruchs nicht informiert hatte.
Regelmäßig an Resturlaubsansprüche erinnern
Dazu sagt das Bundesarbeitsgericht (BAG): „Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des Paragrafen 199 Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.“. Die Richter bestätigten damit den europäischen Gerichtshof. Die Klägerin erhielt am Ende 101 Urlaubstage ausgezahlt.
Tipp: Die Kanzlei Ecovis empfiehlt, Arbeitnehmer regelmäßig an ihre Resturlaubsansprüche zu erinnern. Das sollte schriftlich passieren mit der Angabe, wie viele Tage es noch sind und wann sie verfallen – bis Ende Dezember oder bis zum 31. März des folgenden Jahres. Unternehmer sollten sich von ihren Mitarbeitern per Datum und Unterschrift bestätigen lassen, dass sie die Information bekommen haben. Im Streitfall kann ein Nachweis entscheidend sein.
Spezialfall Krankheit
Das Bundesarbeitsgericht hatte noch einen weiteren Fall auf dem Tisch (Urteil vom 20.12.2022; Aktenzeichen: 9 AZR 245/19). Hier ging es darum, wann Ansprüche bei Krankheit verloren gehen. Nach 15 Monaten verfallen die Tage – aber nur unter der Voraussetzung, dass der Mitarbeiter durchgehend während des Jahres krank war. Stichtag ist dann der 31. März des Folgejahres. Wenn der Arbeitnehmer aber noch einige Tage gearbeitet hat, ist es komplizierter: Die Erfurter Richter entschieden, dass der Chef rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit dem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben haben muss, seinen Resturlaub zu nehmen. Was genau unter rechtzeitig zu verstehen ist, bleibt bisher leider unklar.
Fazit: Das Bundesarbeitsgericht unterstützt mit den beiden Urteilen die Arbeitnehmer. Handwerkschefs sollten strikt darauf achten, die Mitarbeiter umfassend zu informieren. Denn Resturlaub verfällt beziehungsweise verjährt eben nur, wenn sie rechtzeitig auf die übrigen Tage aufmerksam machen und jeden Beschäftigten auffordern sie zu nehmen. Überdies müssen sie schriftlich und unmissverständlich klarstellen, dass der Urlaub sonst verloren geht. Die Kanzlei Schulze & Braun rät Arbeitgebern dazu, das Thema Urlaub beispielsweise alle drei Monate anzusprechen. Der Vorteil liege darin, dass alle informiert bleiben und die Nerven der Beteiligten nicht überstrapaziert würden.
Wann verfällt Resturlaub?
Arbeitgeber müssen in der Regel mindestens vier Wochen – oder 20 Tage – Urlaub bei Vollzeitkräften gewähren. So steht es im Bundesurlaubsgesetz (BurlG). Wann Ansprüche verjähren im Schnell-Überblick.
- Was ist Resturlaub: Alle Tage, die Mitarbeiter bis zum 31. Dezember des laufenden Jahres nicht genommen haben, fallen unter die Kategorie Resturlaub. Wichtig: Arbeitnehmer sind gehalten, ihren Urlaub bis dahin auch zu nehmen – um sich zu erholen.
- Wann verfällt der Resturlaub: Prinzipiell erst einmal zum 31. Dezember jeden Jahres. Der Gesetzgeber will nicht, dass Arbeitnehmer Freizeit ansparen und permanent aufstocken. Doch er lässt Ausnahmen zu.
- Wann kann Resturlaub übertragen werden: Die Details regelt Paragraf 7 Abs. 3 BUrlG. Falls besondere betriebliche Gründe vorliegen – wie etwa ein Großauftrag oder weil viele Kollegen wegen Corona ausgefallen sind und der Mitarbeiter deshalb seinen Urlaub nicht nehmen konnte – ist eine Übertragung bis zum 31. März des Folgejahres möglich. Überdies können dafür in der Person des Mitarbeiters selbst liegende Gründe wie Krankheit oder Elternzeit vorliegen.
- Was passiert beim Ausscheiden: Erfolgt eine Kündigung bis zum 30. Juni, gibt es für jeden vollen Monat ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Danach steht dem Mitarbeiter der gesetzliche Anspruch des ganzes Jahres zu – es sei denn, im Arbeitsvertrag ist das anders geregelt. Falls es nicht möglich ist, den Urlaub noch zu nehmen, kann er auszuzahlen sein. Der Abgeltungsanspruch verjährt gesetzlich nach drei Jahren. Aber auch hier kann der Arbeits- oder der Tarifvertrag eine kürzere Frist vorsehen.
Wichtig: Das Bundesarbeitsgericht sagt in einem weiteren neuen Urteil von Ende Januar 2023 (Az: 9 AZR 456/20), dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommener Urlaub nach drei Jahren verjährt – selbst wenn der Chef nicht darüber informiert hat. Die Frist beginnt in der Regel zum Ende des Jahres des Ausscheidens. „Nach Auffassung des BAG stellt die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur dar, durch die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr regelmäßig auf die Verjährung hinweisen muss“, so Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Schultze & Braun.