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Betriebsvereinbarung: Wie Chefs ergänzend zum Arbeitsvertrag klare Regeln fassen

22.05.2023 | Handwerk-Magazin

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Von Eva Neuthinger

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Benjamin Akkermann ist Vorsitzender des Betriebsrats des Handwerksunternehmens Hoogestraat & Sohn in Krümmhorn, Landkreis Aurich. Der Sanitär-Heizung-Klima-Betrieb beschäftigt insgesamt 28 Mitarbeiter. Nur wenige Unternehmen dieser Größe im Handwerk haben einen Betriebsrat. Vor rund zehn Jahren kam Akkermann auf die Idee, eine Arbeitnehmervertretung zu gründen. Sein Chef Thomas Hoogestraat fand das gut, „auch weil wir über sie einen direkten Draht zu den Mitarbeitern haben, ohne mit jedem Einzelnen Änderungen und Neuerungen diskutieren zu müssen. Wir verhandeln nur mit dem Betriebsrat, und die Verabredungen gelten dann für alle“, so der Handwerksunternehmer.

So stimmten die Parteien schon einige Neuerungen ab. „Zuletzt zum Beispiel trafen wir verbindliche Absprachen zu den Tarifen, wenn Mitarbeiter im Notdienst sieben Tage am Stück von 7 bis 22 Uhr, die normale Arbeitszeit abgezogen, zur Verfügung stehen müssen“, sagt ­Akkermann. Dazu gibt es eine Betriebsvereinbarung, die für jeden Mitarbeiter einen übertariflichen Verdienst pro Stunde garantiert. „Wenn wir als Betriebsrat solche Regelungen verabschieden, ist das für alle vorteilhaft. Und es gibt keine Diskussionen“, meint Akkermann.

Betriebsrat und Betriebsleitung loten Betriebsvereinbarung aus

So zeigten sich die Mitarbeiter auch aufgeschlossen, als im Herbst vergangenen Jahres eine Testphase zur Vier-Tage-Woche eingeführt wurde. Wer will, arbeitet seitdem 36 Stunden in der Woche an vier Tagen. „Niemand ist gezwungen, aber fast jeder Arbeitnehmer nutzt die Regelung“, sagt Firmenchef Thomas Hoogestraat. Entsprechend gut sind seine Erfahrungen mit den reduzierten Zeiten. „Wenn sich das Modell weiterhin bewährt, setzen wir uns mit dem Betriebsrat zusammen und formulieren auch hierzu eine Betriebsvereinbarung“, so Hoogestraat.

Generelle Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen, Überstundenzuschläge oder Homeoffice: Das sind klassische Themen, bei denen der Betriebsrat mitbestimmen kann. Unternehmer und Arbeitnehmervertreter loten dann eine Lösung aus, mit der beide Parteien gut leben können. Für den Chef bringt das den Pluspunkt, nur einmal zu verhandeln – statt mit jedem Mitarbeiter einzeln. „Als viele Firmen ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken mussten, war es für die Unternehmer daher sehr vorteilhaft, wenn sie einen Betriebsrat hatten“, sagt Pascal Manthey, Rechtsanwalt der Kanzlei Dr. Kluge in Hannover. Überdies sind Mitarbeiter oft zufriedener, wenn es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt. Sogar die Produktivität kann sich verbessern, wie Studien der Hans-Böckler-Stiftung ergeben haben. Vor allem aber verdient dieser Vorteil Beachtung: Wenn Betriebsvereinbarungen getroffen werden, weiß jeder im Team, was gefragt ist, und „beide Seiten haben eine rechtsverbindliche Basis“, so Manthey.

Betriebsrat: Wenn sich das Team einen wünscht

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Initiative für die Einrichtung eines Betriebsrats zu ergreifen. Er darf sich aber nicht verweigern, wenn Mitarbeiter sich dieses Gremium wünschen und es initiieren. Was es bei der Gründung im Betrieb zu beachten gilt.

 

  1. Das Gesetz beachten: Die Details regelt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dieses gilt als das Grundgesetz für „das Miteinander von Arbeitgebern und Beschäftigten in Betrieben“, so die IG Metall auf ihrer Internetseite. Die Mitarbeiter haben ein Recht auf einen Betriebsrat in Firmen mit mehr als fünf volljährigen Mitarbeitern, von denen drei länger als sechs Monate dort arbeiten.
  2. Das Vorhaben akzeptieren: Selbst wenn der Unternehmer selbst kein Interesse daran hat: Wenn ein Mitarbeiter einen Betriebsrat ins Leben rufen will, kann er das nicht verbieten. Sonst handelt er rechtswidrig und macht sich strafbar. Mitarbeitern, die sich engagieren, darf nicht gekündigt werden. Die Geschäftsführung muss zum Beispiel Aushänge am schwarzen Brett zulassen und akzeptieren, wenn die die Initiatoren via E-Mails für den Betriebsrat werben.
  3. Den Betriebsrat unterstützen: Das Unternehmen ist verpflichtet, Büro­material und Räume zur Verfügung zu stellen und auch die Kosten für die Wahl zu übernehmen. Der Betriebsratsvorstand wird sich fortbilden wollen. Dafür ist er freizustellen. Die Kosten für die Weiterbildung übernimmt das Unternehmen. Aber: Für die Tätigkeit erhalten die Mitglieder keinen zusätzlichen Lohn. Sie dürfen aber während ihrer offiziellen Arbeitszeit die ­Interessen der Arbeitnehmer vertreten.
  4. Die Größe des Betriebsrats: Kleinere Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern haben in der Regel nur einen Arbeitnehmervertreter, jene mit bis zu 50 Beschäftigten dann schon drei. Je größer, desto mehr Mitglieder hat der Betriebsrat. Alle vier Jahre finden im Turnus Wahlen statt – zuletzt übrigens 2022.
  5. Mitbestimmungsrecht beachten: Der Unternehmer muss den Betriebsrat von sich aus informieren, soweit es zum Beispiel um Pausenregelungen, die Arbeitsorganisation bis hin zum Arbeitsschutz geht und – ganz aktuell – zum Beispiel ums Homeoffice oder die Vier-Tage-Woche. Auch falls im Betrieb Kameras stehen, mit denen das Team überwacht werden könnte, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Unternehmer und Arbeitnehmervertreter müssen sich zu diesen Themen beraten. Sie sollen vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Vereinbarungen dokumentieren

Und genau hier haben viele Handwerksunternehmer nämlich ein Problem. Rechtsanwalt Manthey weiß aus Erfahrung, dass Absprachen mit Mitarbeitern häufig informell und mündlich erfolgen. Er warnt: „Wenn der Mitarbeiter die Einigung dann anders auslegt als der Chef, stehen beide Seiten vor der Schwierigkeit, ihre Sicht zu belegen.“ Im besten Fall war ein neutraler Zeuge dabei, aber oft ist das eben nicht der Fall. Manthey rät daher dazu, jegliche Verabredungen mit Mitarbeitern schriftlich zu fixieren und am besten von beiden unterschrieben als Anhang zum Arbeitsvertrag zu nehmen. Das ist ohnehin vorgeschrieben. Arbeitgeber sind per Nachweisgesetz vom August vergangenen Jahres zur schriftlichen Dokumentation verpflichtet. Mündlich abgeschlossene Arbeitsverträge bleiben zwar gültig, aber die geltenden Arbeitsbedingungen müssen schriftlich fixiert sein. Sie sind den langjährigen Beschäftigten auf deren Wunsch vorzulegen. Neue Mitarbeiter haben schon beim Eintritt einen Anspruch darauf. Wenn der Arbeitgeber nicht reagiert, droht ein Bußgeld. Es handelt sich um eine Ordnungswidrigkeit, die 2.000 Euro kosten kann.

Betriebsvereinbarung: ­Gemeinsame Sache machen

Chef und Betriebsrat beschließen eine Betriebsvereinbarung und unterschreiben das Schriftstück. Sie gilt dann für alle Mitarbeiter. Was das bedeutet.

 

  • Definition: Betriebsvereinbarungen schaffen Rechtssicherheit bei mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten. Die Mitarbeiter müssen sich an die formulierten Vorschriften halten. Sie betreffen in der Regel jene Bereiche, in denen der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat – etwa Arbeitszeitregelungen oder Maßnahmen, um Unfälle zu vermeiden.
  • Veröffentlichung: Der Unternehmer muss die Betriebsvereinbarung im Betrieb auslegen oder jedem aushändigen. Die Firma muss sie bekannt machen. Sie ist verständlich zu formulieren. Sie ist wie vereinbart durchzuführen.
  • Wirkung: Eine Betriebsvereinbarung wirkt unmittelbar und zwingend, wie das Gesetz. Einzelvertragliche Absprachen bleiben erhalten, sie können nicht zuungunsten des Arbeitnehmers durch eine Betriebsvereinbarung geändert werden. Der Arbeitsvertrag geht vor, wenn er günstiger ist – und umgekehrt.

Vorsicht Gesamtzusage!

Also sprechen gute Gründe für schrift­liche Vereinbarungen und für klar formulierte Regeln. Manthey warnt Unternehmer zum Beispiel auch davor, gut gelaunt bei der nächsten Betriebsfeier Prämien und andere Zuwendungen anzupreisen: „Arbeitgeber sind sich oft nicht dessen bewusst, dass sie damit eine sogenannte Gesamtzusage machen, die sie einhalten müssen.“ Per Definition handelt es sich um eine an alle Arbeitnehmer oder eine bestimmte Gruppe gerichtete Erklärung des Chefs, zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen (Bundesarbeitsgericht, Az: 9 AzR 765/08). Eine Gesamtzusage wird Teil des Arbeitsvertrags, sobald sie bekannt gegeben wurde. „Wenn der Unternehmer also vor seinem Team oder einem ausgewählten Kreis sagt, dass er zum Beispiel eine Gratifikation oder eine bestimmte Einmalzahlung leisten will, dann ist das ein verbindliches Angebot“, so Manthey.

Ein Beispiel: Unternehmen können für die Jahre 2022 bis 2024 insgesamt 3.000 Euro steuerfrei an die Mitarbeiter als eine zusätzliche Leistung auszahlen – die sogenannteInflationsausgleichs­prämie. Die Regierung beschloss diese mit dem dritten Entlastungspaket im September letzten Jahres. Es handelt sich um eine zusätzliche Leistung, die viele Firmen gewähren wollen. Wenn der Handwerkschef in großer Runde schon mitgeteilt hat, dass er sie zahlen will, oder falls dazu ein Aushang am schwarzen Brett hängt, dann handelt es sich bereits um eine arbeitsrechtlich wirksame Zusage. Die Mitarbeiter haben einen Anspruch darauf.

Das ist von vielen Handwerksunternehmern noch gewollt. Doch bei der Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie sollten sie arbeitsrechtlich noch einen weiteren wichtigen Punkt beachten. Viele Betriebe planen, sie nicht auf einen Schlag auszuzahlen. Um die Liquidität nicht zu stark zu belasten, wird sie gestückelt. Pro Jahr fließen 1.000 Euro. Dagegen ist nichts einzuwenden. Allerdings droht eine betriebliche Übung. Wenn der Arbeitgeber eine Leistung dreimal wiederholt, dürfen die Mitarbeiter davon ausgehen, dass er sie weiter beibehält – obwohl nichts weiter dazu vereinbart wurde. Das bedeutet: 2025 und in den folgenden Jahren müsste der Chef die Prämie auch gewähren. Sie unterliegt dann der Steuer. Überdies sind Sozialabgaben abzuführen.

Zwei Möglichkeiten hat man, um dies zu vermeiden: „Zum einen kann die Prämie auf zwei Jahre verteilt überwiesen werden. Damit vermeidet der Unternehmer die betriebliche Übung“, sagt Sascha John, Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei sjs in Göttingen. Überdies kann die Firma eine Erklärung zum Freiwilligkeitsvorbehalt gegenüber dem jeweiligen Mitarbeiter abgeben. „Man hält schriftlich fest, dass die Zahlung auf freiwilliger Basis erfolgt und dass sich auch bei wiederholter Zahlung kein Anspruch für die Zukunft ergibt“, so John. Am besten lässt sich der Unternehmer den Freiwilligkeitsvorbehalt vom Mitarbeiter unterschreiben.

Betriebliche Übung: Was Unternehmer beachten sollten

Unternehmer zeigen sich mitunter großzügig und gewähren Leistungen, die weder im Tarif- noch im Arbeitsvertrag fixiert sind. Werden sie mehrfach gewährt, handelt es sich um eine betriebliche Übung – und die lässt sich nicht so einfach zurücknehmen.

Definition:
Unter eine betriebliche Übung fällt meist eine Sonderzahlung, die den Mitarbeitern jährlich gewährt wird. Die Leistung bekommen Arbeitnehmer, ohne dass sie einen rechtlichen Anspruch darauf haben. In solchen Fällen urteilen die Gerichte: Bezahlt der Arbeitgeber drei Jahre lang in Folge, dann ändert sich die Lage. Die Arbeitnehmer können dann davon ausgehen, dass der Unternehmer weiterhin überweist. Die Mitarbeiter haben – ohne dass darüber gesprochen wurde – einen Anspruch darauf.

Unter diese Kategorie fallen zum Beispiel:

  • Jubiläumszuwendungen
  • Essenszuschüsse
  • Fahrtkosten
  • Fortbildungsaufwendungen
  • Gewährung eines Parkplatzes
  • Weihnachtsgeld
  • Zusagen betriebliche Altersvorsorge

Ausweg:
Freiwillige Leistungen sollten maximal zweimal in Folge fließen, andernfalls kann man davon ausgehen, es handelt sich um eine betriebliche Übung. Die Zuwendung darf also nicht in Regelmäßigkeit dreimal hintereinander gewährt werden. Aussetzen kann hingegen ein Ausweg sein. Beispiel: Der Unternehmer zahlt Prämien in 2023, 2024, nicht aber in 2025 und 2026. Dann kann es 2027 wieder losgehen. Wichtig: Selbst wenn die Zahlungen in der Höhe schwanken, entsteht bei Regelmäßigkeit die betriebliche Übung, entschied das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen: 10 AZR/266/14).

Kündigung:
Wenn die betriebliche Übung einmal entstanden ist, wird sie automatisch Bestandteil des Arbeitsvertrages. Für Sie als Chef bedeutet dies: Sie können sie nicht einseitig rückgängig machen. Juristisch gesehen bedarf es dann einer Änderungskündigung.

Experte John rät zur Schriftform auch bei Regelungen zu Arbeitszeit­konten oder beim Urlaub. Ebenso sollten die Details zur Arbeitszeiterfassung und die Bestimmungen zu Überstunden dokumentiert sein. „Denn hier kommt es häufiger zum Streit zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern“, so John. Da sollten die Einzelheiten schwarz auf weiß vorliegen, um im Fall eines Klageverfahrens etwas in der Hand zu haben.

Unternehmer Thomas Hoogestraat und Benjamin Akkermann protokollieren in der Regel, was sie miteinander besprochen haben. Wenn es um die Formulierung einer Betriebsvereinbarung geht, nimmt Akkermann vorsichtshalber die Gewerkschaft mit ins Boot. „Ich habe zwar mehrere Fortbildungen gemacht, aber sicher ist sicher. Solche Regelungen sind sehr komplex. Da ist es gut, wenn einen jemand mit Erfahrung unterstützt“, so der Betriebsrat.

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