Mitarbeiterentwicklung: Wie fördere ich gezielt meine Arbeitnehmer, Frau Eigel?
20.09.2024 | Handwerk-Magazin
Von Andrea Eigel
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Eigels Erfa-Erkenntnisse, Mitarbeitermotivation, Unternehmensberater, Wachstum und Weiterbildung
Funktioniert eine Gemeinschaft, in der einer gibt und die anderen nur nehmen? Zwei unnötige Fragen: natürlich nicht. Handwerksbetriebe können ein Lied davon singen. Gerade die Firmen, die in den letzten Jahren mit besten Absichten das gesamte Benefit-Programm über ihre Mitarbeiter ausgeschüttet haben und dennoch unter hoher Fluktuation leiden, suchen nach Alternativen. Und sie finden sie im altbekannten Prinzip vom ausgewogenen Geben und Nehmen – oder, konkret auf die Mitarbeiterführung übertragen, in der Umsetzung einer Kultur, die Mitarbeiter gleichermaßen fördert und fordert.
Das Schöne an diesem Ansatz ist: Er nützt dem Betrieb und den Mitarbeitern gleichermaßen. Fördern und fordern ermöglicht Weiterentwicklung für beide Seiten und sorgt zudem für mehr Mitarbeiterzufriedenheit. Das Instrument Fördern und Fordern hat also ein enormes Potenzial. Genau deshalb habe ich es einem aufstrebenden mittelgroßen Unternehmen empfohlen und mit ihm umgesetzt.
Neue Maßstäbe durch Mitarbeiterförderung setzen
Der Betrieb ist in seiner Region gut etabliert und die beiden Chefs haben ehrgeizige Ziele. Das Team ist vergleichsweise jung, durchweg gut ausgebildet, motiviert und leistungsbereit. Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Unternehmen stimmen: die Auftragslage ist gut, die Auslastung hoch, der Betrieb wächst. Genau dieses Wachstum forderte nun Veränderungen in den betrieblichen Strukturen. Um den Erfolgskurs weiter fortsetzen zu können, erkannten die beiden Inhaber, dass sie ihr wichtigstes betriebliches Vermögen, die Mitarbeiter, auf neue Art anleiten, beurteilen und führen mussten.
Der Bedarf an gezielten Gesprächen, die die Angestellten einforderten, war gestiegen. Gleichzeitig wurde klar, dass der gewachsene Betrieb nur dann effizient arbeiten kann, wenn jeder Mitarbeiter genau weiß, was von ihm gefordert wird. Außerdem war den Chefs wichtig, einen möglichst objektiven Maßstab für die Leistungsfähigkeit der einzelnen Mitarbeiter an die Hand zu bekommen, um sowohl bei der Entlohnung wie bei der Weiterqualifizierung über eine belastbare, messbare Grundlage zu verfügen. Gibt es diese nicht und wird rein aus dem Bauch heraus beurteilt, wird sowohl der Unter- wie der Überschätzung der jeweiligen Mitarbeiterfähigkeiten – durch sie selbst oder die Führungskraft – Tür und Tor geöffnet. Vor diesem Hintergrund etablierten wir das zentrale Werkzeug fürs gezielte Fördern und Fordern im Betrieb: sogenannte Handlungsprofile für jede einzelne Position im Unternehmen.
Handlungsprofil als Instrument
Handlungsprofile gehen meist über die üblichen Stellenbeschreibungen hinaus. Sie beschreiben für jede einzelne Tätigkeit genau und verständlich, was der Mitarbeiter in dieser Position wie zu erfüllen hat. In Beispielen: Eine Büromitarbeiterin erhält damit statt der gebräuchlichen Aufgabenliste („Telefonate erledigen, Anfragen annehmen, Buchhaltung führen, …“) eine genaue Beschreibung dessen, was und wie sie es zu tun hat. Darin steht beispielsweise: „Die Bürokraft füllt, während sie mit einem Interessenten telefoniert, die Interessenten-Checkliste vollständig aus. Rechtzeitig vor dem Erstgespräch mit dem Interessenten stellt sie dem Chef die nötigen Informationen zur Verfügung“.
Dasselbe gilt natürlich für die Handlungsprofile der anderen Mitarbeiter. „Der Vorarbeiter gibt dem Projektleiter vor 16 Uhr Rückmeldung über den Stand der Baustelle und den zusätzlichen Bedarf an Mitarbeitenden und Material für den Folgetag“ oder, an die Adresse der Projektleiter: „Der Projektleiter macht selbstständig die Terminplanung für die Subunternehmer und informiert sie rechtzeitig über ihren Arbeitseinsatz“. Handlungsprofile führen zu einer Win-Win-Situation. Mitarbeiter gewinnen Sicherheit, weil sie die Anforderungen an sich präzise kennen. Führungskräfte erhalten mit Handlungsprofilen eine Basis, um Leistungen konkret einzufordern und die Mitarbeiterentwicklung dort gezielt voranzutreiben, wo der Angestellte noch Schwachstellen hat. Gleichzeitig fördern Handlungsprofile die Vergleichbarkeit der Mitarbeiter untereinander.
Damit lässt sich die jeweilige Entlohnung transparent begründen. Das von mir beratene Unternehmen hat damit mittlerweile die besten Erfahrungen gemacht. Es setzt die Handlungsprofile erfolgreich ein – und das nicht nur in Mitarbeitergesprächen. Bei Bewerbungsgesprächen leistet das Handlungsprofil ebenfalls beste Dienste. Mit ihm lässt sich sehr genau abklopfen, ob der Interessent zum Betrieb passt und die Stelle ausfüllen kann. Zusätzlich ist das um weitere Zielvereinbarungen ergänzte Handlungsprofil die Grundlage, mit der die Mitarbeiterentwicklung kontinuierlich geplant und vorangetrieben werden kann.
Drei Schritte zum Handlungsprofil: So geht's!
- Jede Stelle genau beschreiben: Nehmen Sie sich jede Position im Unternehmen vor und listen Sie alle Handlungen und Verhaltensweisen auf, die ein Stelleninhaber umsetzen soll, damit die Gesamtstruktur im Unternehmen funktioniert. Formulieren Sie die Handlungsbeschreibungen bewusst aktiv. Statt „Verantwortung für das Aufmaß“ steht im Handlungsprofil eines Bauleiters besser: „Er bereitet das Aufmaßprotokoll vor, misst selbst auf und pflegt die Daten ins System ein.“
- Erfolgsmaßstab festlegen: Damit Handlungsprofile als Bewertungs- und Entwicklungsinstrument taugen, brauchen sie objektive Zielmarken. Ergänzen Sie deshalb im Handlungsprofil für jede Stelle Maßstäbe. Auf welche Art soll die jeweilige Tätigkeit ausgeführt werden und was ist nötig, damit der Stelleninhaber zum Erfolg kommt?
- Handlungsprofile von Beginn an einsetzen: Bereits im Bewerbungsgespräch ist das Handlungsprofil einer Position eine ideale Grundlage, um einschätzen zu können, welcher Kandidat die jeweilige Position gut ausfüllen könnte. Auch bei der Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters sollten Sie sich die Zeit nehmen, die Vorgaben des Handlungsprofils gemeinsam in Ruhe durchzusprechen und damit den Kurs zu setzen. Im regelmäßigen Mitarbeitergespräch ist das Handlungsprofil die Basis, um festzustellen: Welche Anforderungen erfüllt der Mitarbeiter bereits bestens? In welchen Punkten kann er sich mit welchen Maßnahmen noch konkret verbessern? Handlungsprofile sind die Grundlage für einen transparenten Umgang zwischen Führungskraft und Geführten. Gleichzeitig dienen sie für den Betrieb und für den Mitarbeiter als Kompass, wohin die Reise geht.
Fazit: Mitarbeiterentwicklung gelingt mit Handlungsprofilen
Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens. Weiterentwicklung, Wohl und Wehe eines Betriebs hängen von ihnen ab. Motiviertes, leistungsstarkes und vor allem loyales Personal zu finden und an sich zu binden, ist eine große Aufgabe. Als Chefin oder Chef liegt es in Ihrer Verantwortung, Ihre Beschäftigten gleichermaßen zu fordern und zu fördern. Ob ungelernte Hilfskraft oder Top-Führungskraft – jede und jeder von ihnen kann unter der Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten und einer realistischen Einschätzung seines Status Quo an seinem Platz zu besseren Leistungen motiviert werden und den Betrieb voranbringen. Handlungsprofile, zu deren konsequenter Einsatz ich Ihren Unternehmerkollegen aus dem Beispiel geraten habe, sind dabei unentbehrliche Werkzeuge. Sie zahlen direkt auf Ihre Unternehmensziele ein und sorgen für kontinuierliche Mitarbeiterentwicklung. Ihre Kollegen haben mit den Handlungsprofilen beste Erfahrungen gemacht und wollen sie in ihrer Personalführung auf keinen Fall missen.
Über Kolumnistin Andrea Eigel:
Andrea Eigel unterstützt Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte im Handwerk dabei, Kunden und Mitarbeitende zu gewinnen und nachhaltig zu binden – und dabei auch selbst bei Lust und Laune zu bleiben.
Sie hält Vorträge, macht Workshops und Coachings, moderiert Veranstaltungen und leitet seit vielen Jahren Erfa-Gruppen. Nebenberuflich ist sie Dozentin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.